Ehepaar auf Berg genießt mit Kindern und Enkel:innen die Aussicht

Erbrecht in Österreich

Das österreichische Erbrecht ist sehr komplex und umfangreich. Im Folgenden kann es hier nicht in all seinen Details dargestellt, sondern lediglich ein erster Überblick gegeben werden. Im Einzelfall ist die Beratung durch Rechtsanwält:innen, Notar:innen und andere Rechtskundige zu empfehlen.

Grundsätzlich können nach dem österreichischen Recht alle mündigen und testierfähigen Menschen mit letztwilligen Verfügungen selbst bestimmen, wer nach ihrem Tod ihr Vermögen erhalten soll. Aber einem, klar definierten Personenkreis weist der Gesetzgeber die Möglichkeit zu, auf jeden Fall etwas aus der Verlassenschaft zu erhalten (Pflichtteilsrecht), auch wenn die/der Verstorbene testamentarisch etwas anderes angeordnet hat. Nur wer nicht in einer aufrechten Ehe oder eingetragenen Partnerschaft lebt und keine eigenen Kinder, Enkel, Urenkel oder Ururenkel hat, kann testamentarisch frei über sein gesamtes Vermögen bestimmen.

Die EU-Erbrechtsverordnung

Die EU-Erbrechtsverordnung regelt, welches Erbrecht anzuwenden ist. Dabei zählt nicht mehr Ihre Staatsbürgerschaft, sondern Ihr gewöhnlicher Aufenthalt zum Zeitpunkt des Todes. Der gewöhnliche Aufenthalt bestimmt auch, welches Gericht für das Verlassenschaftsverfahren zuständig ist. Er wird in der Regel dort angenommen, wo Ihr familiärer oder sozialer Lebensmittelpunkt war, dabei kommt es auch auf die Dauer und Regelmäßigkeit Ihres Aufenthaltes an. Haben Sie Ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland und besitzen zum Beispiel die österreichische Staatsbürgerschaft, können Sie aber das österreichische Erbrecht wählen. Diese Rechtswahl muss im Testament erfolgen.

Pflichtteil beim Erbe

Es gibt folgende Einschränkungen durch das Pflichtteilsrecht: Pflichtteilsberechtigt sind nur eigene Nachkommen (Kinder, bzw. wenn diese verstorben sind, die Enkelkinder und so weiter) und Ehepartner:innen bzw. eingetragene Partner:innen (in aufrechter Ehe/eingetragener Partnerschaft). Der Pflichtteil ist ihr gesetzlicher Mindestanspruch auf einen Teil des Erbes und halb so hoch wie ihr gesetzlicher Erbteil. Die Berechnung erfolgt vom reinen Nachlasswert, also nach Abzug aller Schulden sowie der Begräbnis- und Verfahrenskosten, die im Rahmen des Verlassenschaftsverfahren anfallen.

Der Anspruch wird sofort mit dem Tod der/des Erblasserin/Erblassers erworben und ist immer eine Geldforderung, kein Anspruch auf bestimmte Gegenstände. Seine Erfüllung kann erst ein Jahr nach dem Tod der Erblasserin/des Erblassers eingefordert werden, auf Anordnung der Verstorbenen oder auf Verlangen der Erb:innen bei Vorliegen besonderer Gründe fünf bis maximal zehn Jahre gestundet werden, dann fallen jedoch gesetzliche Zinsen in Höhe von vier Prozent pro Jahr an.

Der Pflichtteilsanspruch verjährt drei Jahre nach Kenntnis des Anspruchs und unabhängig davon nach 30 Jahren. Die Berechnung des Pflichtteils kann sehr kompliziert werden, weil zum Beispiel Schenkungen, die der Verstorbene zu Lebzeiten gemacht hat, Beachtung finden können.

Pflichtteil – Reduktion

Der Pflichtteil kann gerichtlich auf die Hälfte reduziert werden, wenn es zwischen der Erblasserin/dem Erblasser und den Pflichtteilsberechtigten über einen längeren Zeitraum (20 Jahre lang) keinen familiären Kontakt gegeben hat, wie er eigentlich in einer Familie zwischen Angehörigen gewöhnlich besteht.

Pflichtteilsverzicht

Pflichtteilsberechtigte können in einem Notariatsakt im Voraus auf ihren Pflichtteil verzichten (zum Beispiel gegen eine entsprechende Abfindung in Form von Geld oder sonstigen Vermögenswerten). Im Zweifel gilt der Pflichtteilsverzicht auch für deren Nachkommen.

Gesetzliche Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn

  • Sie kein gültiges Testament errichtet haben und es auch keinen gültigen Erbvertrag gibt oder
  • Ihr Testament oder der Erbvertrag nicht Ihr gesamtes vererbbares Vermögen betrifft oder
  • die von Ihnen bestimmten Erb:innen auf die Erbschaft verzichten oder vor Ihnen verstorben sind (und Sie keine Ersatzerben bestimmt haben).

Die gesetzliche Erbfolge regelt, wer aus der Verlassenschaft erbt und welchen Anteil die nächsten Angehörigen erhalten. Dafür ist der Verwandtschaftsgrad der Angehörigen wesentlich. Er wird in Linien (auch Parentelen genannt) angezeigt:

1. Linie: Kinder (eheliche, uneheliche, leibliche und adoptierte Kinder) und deren Nachkommen
2. Linie: Eltern und deren Nachkommen
3. Linie: Großeltern und deren Nachkommen
4. Linie: Urgroßeltern (ohne Nachkommen)

Regeln für die gesetzliche Erbfolge

Eine nähere Linie schließt entferntere Linien aus. Jemand aus der 2. Linie kann nur erben, wenn es niemand in der 1. Linie gibt usw. Wenn das eigentlich erbberechtigte Mitglied einer Linie die Erbschaft nicht erlangt (zum Beispiel, weil es schon verstorben ist), dann erben seine Nachkommen genau den Teil, den diese Person bekommen hätte.

Beispiel: Sie sind verwitwet und haben einen Sohn und vier Enkelkinder – drei von der Tochter, die vor Ihnen gestorben ist, eines von Ihrem Sohn. Wenn Sie ohne Errichtung eines Testaments versterben, greift die gesetzliche Erbfolge: Würde Ihre Tochter noch leben, bekämen Ihre Tochter und Ihr Sohn jeweils die Hälfte. Weil Ihre Tochter aber schon verstorben ist, erbt der Sohn die eine Hälfte, die Hälfte der verstorbenen Tochter wird auf die drei Kinder der Tochter aufgeteilt. Diese drei Enkelkinder erben also je ein Sechstel. Ihr viertes Enkelkind (das Kind Ihres Sohns) bekommt in diesem Fall nichts.

Aufrechte Ehe bzw. aufrechte eingetragene Partnerschaft
Wenn Sie bei Ihrem Tod in aufrechter Ehe bzw. aufrechter eingetragener Partnerschaft gelebt haben, zählt immer der/die Sie überlebende (Ehe-)Partner:in zu den gesetzliche Erben. Die Höhe des Erbanteils ist davon abhängig, ob es noch bestimmte andere Verwandte gibt:

  • Sind Kinder oder deren Nachkommen vorhanden: erben Ehepartner:innen ein Drittel, die Kinder bzw. deren Nachkommen zwei Drittel.
  • Sind weder Kinder noch lebende Nachkommen der Kinder, aber noch Eltern vorhanden: erben Ehepartner:innen zwei Drittel, die Eltern ein Drittel.
  • Sind weder Kinder vorhanden und die Eltern verstorben, fällt Ehepartner:innen der gesamte Nachlass zu.

Beispiel: Herr Meier – verheiratet mit Frau Meier – hinterlässt neben seiner Gattin eine Tochter sowie zwei Enkelkinder seines verstorbenen Sohnes. Frau Meier erbt ein Drittel, seine Tochter ein Drittel, seine beiden Enkelkinder jeweils ein Sechstel.

Geschiedene (Ehe-)Partner:innen und andere Angehörige
Rechtskräftig geschiedene (Ehe-)Partner:innen zählen nach der Scheidung nicht mehr zu den gesetzlichen Erben! Ein während noch aufrechter Ehe zu ihren Gunsten errichtetes Testament gilt als aufgehoben. Andere Angehörige wie mit den Verstorbenen verschwägerte Personen (Schwiegersöhne, Schwiegertöchter, Schwiegermütter, Schwiegerväter, Schwägerinnen und Schwager), aber auch Stieftöchter, Stiefsöhne, Stiefmütter, Stiefväter haben kein gesetzliches Erbrecht. Ebenso wenig Lebensgefährt:innen, soweit andere gesetzliche Erb:innen vorhanden sind.

Deshalb ist die Errichtung eines Testaments zur Absicherung des Lebensgefährten/der Lebensgefährt:in absolut anzuraten! Denn ihnen wird in der gesetzlichen Erbfolge nur ein außerordentliches Erbrecht eingeräumt: Sie erhalten das verbleibende Vermögen nur dann, wenn es keinen einzigen gesetzlichen Erben gibt.

Wann erbt der Staat?

Wenn es weder testamentarische noch gesetzliche Erb:innen gibt, keine erbberechtigten Lebensgefährt:innen und auch keine Vermächtnisnehmer:innen, dann muss sich die Republik Österreich den Nachlass aneignen = „Aneignung des Bundes“ (früher „Heimfallsrecht des Staates“).

Enkelin und Oma sitzen auf Bank und lachen sich gegenseitig an

Testamentsspende

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Häufige Fragen und Antworten

Unter bestimmten im ABGB in §§ 540, 770, 776 ABGB aufgezählten Gründen kann der Pflichtteil durch eine letztwillige Verfügung teilweise (Pflichtteilsminderung auf die Hälfte) oder gänzlich entzogen werden (Enterbung). Die Enterbung muss im Testament ausgesprochen und unter Verweis auf ein im Gesetz (s. o.) aufgezählten Sachverhalt begründet werden. Die Pflichtteilsminderung auf die Hälfte kann testamentarisch angeordnet werden, wenn entweder nie oder zumindest nicht über einen Zeitraum von wenigstens zwei Jahrzehnten vor dem Tod des Verfügenden zwischen ihm und dem Pflichtteilsberechtigten ein Verhältnis bestanden hat, wie es eigentlich zwischen solchen Verwandten üblich ist.

Der Pflichtteilsanspruch kann allerdings nicht gemindert werden, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten das Recht auf persönlichen Verkehr mit dem Pflichtteilsberechtigten grundlos abgelehnt hat.

Seit 1. Jänner 2017 gibt es im österreichischen Erbrecht das gesetzliche Pflegevermächtnis (§§ 677, 678 ABGB). Dabei werden die Pflegeleistungen durch nahe Angehörige berücksichtigt. Diesen steht das gesetzliche Pflegevermächtnis zu, wenn der oder die Verstorbene in den vergangenen drei Jahren vor dem Tod mindestens sechs Monate lang „in nicht bloß geringfügigem Ausmaß“ (in der Regel mehr als durchschnittlich 20 Stunden im Monat) unentgeltlich gepflegt wurde.

Die Pflegebedürftigkeit muss nach objektiven Gesichtspunkten bestehen und gilt meistens durch den Bezug von Pflegegeld als erwiesen. Dieser erbrechtliche Anspruch muss schon im Verlassenschaftsverfahren berücksichtigt werden. Die Höhe des Pflegevermächtnisses ist im Einzelfall gerichtlich zu ermitteln. Das Pflegevermächtnis gebührt neben dem Pflichtteil.

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